Reichskirche

Reichskirche
Reichskirche
 
Unter der »Reichskirche« versteht man die Gesamtheit der Kirchen, die im früh- und hochmittelalterlichen deutschen Reich auf dem Grundbesitz des Königs als des Herrn des Reiches errichtet waren und seiner unmittelbaren Herrschaft unterstanden.
 
Allgemein schloss Grundbesitz im Mittelalter Herrschaft über die auf dem Land lebenden Leute ein. So übten neben dem König auch die anderen Großgrundbesitzer Herrschaft aus. Die Grundherrschaft stellt sich als ein Wechselverhältnis von Gabe und Gegengabe dar, in das auch die Kirchen eingebunden waren. Kirchen und Klöster dienten ihren Herren durch ihre wichtigste Gabe, durch ihre Gebete und Fürbitten, und wurden dafür mit Landbesitz und Einkünften ausgestattet, die im Obereigentum des Herrn blieben. Ein geistlicher und weltlicher Großer, der auf seinem Grund und Boden eine Kirche errichtete und sie ausstattete, war der Herr dieser Kirche, sie war sein Eigen, über das er verfügen konnte; man nennt ihn deshalb Eigenkirchenherr. Entsprechend war auch der König Herr von Kirchen, nämlich von denjenigen Kirchen und Klöstern, die auf Königs- bzw. Reichsgut errichtet waren. Zur Reichskirche gehörten die Erzbistümer Köln, Mainz, Trier, Salzburg, Hamburg-Bremen und Magdeburg und so gut wie alle Bistümer, außerdem die Reichsklöster, darunter so berühmte Klosterstätten wie Fulda, Hersfeld, Quedlinburg, Lorsch und Sankt Gallen. Die zum Reich gehörenden Kirchen und Klöster waren durch Ausstattung der Könige und durch fromme Schenkungen selbst wieder Großgrundbesitzer und schuldeten dem König außer Gebeten und Fürbitten auch Panzerreiter für das königliche Heer und Beherbergung des Königshofes. Aber das aus der Grundherrschaft stammende Eigenkirchenwesen war nur eine der Wurzeln der königlichen Kirchenherrschaft, denn der König war mehr als ein normaler Eigenkirchenherr. Als »Gesalbter des Herrn« galt er als Beauftragter, ja Stellvertreter Gottes im christlichen Volk. Dadurch war er aus der Menge der Laien herausgehoben, galt den Kirchen als der ihnen bestellte Verteidiger vor den Gefahren der Welt. Bis zur Kirchenreform des 11. Jahrhunderts nahm man deshalb keinen Anstoß daran, dass es der König war, der die Bischöfe und Erzbischöfe des Reiches persönlich in ihre Ämter einsetzte und oft auch den Ausschlag bei der Auswahl der Reichsbischöfe gab, wobei er Mitglieder seiner Hofgeistlichkeit bevorzugte. Da die Könige aus dem Geschlecht der Ottonen und Salier die Verbindung zwischen Königshof und Reichskirche enger gestalteten als ihre karolingischen Vorgänger und die Herrscher der benachbarten Königreiche, wird diese Besonderheit der deutschen Entwicklung oft durch die Bezeichnung »ottonisch-salisches Reichskirchensystem« hervorgehoben.

Universal-Lexikon. 2012.

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